Die Große Moskauer Apotheke ist der Zahl nach die 20. Apotheke, die in Riga eröffnet wurde. Sie begann ihre Arbeit 1858 in der Moskauer-Vorstadt und befand sich in der Moskauerstraße. Die Apotheke hat sich mehrmals ihren Standort geändert, doch hat immer in ihrer Adresse die Moskauerstraße beibehalten. Ihr letzter Standort war Moskauerstraße 49 (55), und dann bekam sie auch den Namen „Große Moskauer Apotheke“. Die Apotheke unterbrach ihre Arbeit am Anfang des II. Weltkriegs – am 16. August 1941. Ursprünglich wurde sie nach dem Namen des Besitzers – die Kirschfeld-Apotheke – genannt. In dieser Apotheke haben viele berühmte Rigaer Apotheker gelernt – Gustav Eduard Alexander Weiss (einer der bedeutendsten Besitzer der Kalkstraßen-Apotheke), Karl Eduard Ollino (Provisor der Großen Moskauer Apotheke, später Besitzer der Löwen-Apotheke), der berühmte Forscher der Pharmaziegeschichte Friedrich Lihinger u. a.
Leonhard Kirschfeld (1828-1893) war der Gründer der Apotheke. Es ist bekannt, dass er aus Livland stammte. Doch es gibt keine Information über seine Arbeit als Lehrling und Apothekerhelfer. Die Hochschulbildung bekam Kirschfeld an der Universität in Dorpat, wo er von 1853 bis 1854 Pharmazie studierte.1854 bestand er mit Auszeichnung die Provisorsprüfungen. Um die Berufserfahrung zu sammeln, wählte Kirschfeld die Rigaer Apotheken und von 1855 bis 1858 arbeitete als Provisor. 1858 bekam er die Konzession für die Eröffnung einer Apotheke in Riga, und in demselben Jahr trat er in den Rigaer Pharmazeutenverein ein. 35 Jahre lang leitete er seine Apotheke mit Erfolg und war auch im Verein tätig. Leonhard Kirschfeld starb 1893.
Die Apotheke vermachte er seiner Frau (geb. Spliet). Sie war Apothekebesitzerin von 1893 bis 1896, während Kirschfeld jun. studierte. Die Apotheke wurde inzwischen vom Provisor Karl Eduard Ollino geleitet, der später Besitzer der Löwen-Apotheke wurde. Kirschfeld jun. erwarb eine gute Ausbildung und eilte sich nicht, in die Apotheke des Vaters zurückzukehren.
Leonhard Wilhelm Kirschfeld (1866-1936) wurde in Riga geboren. Die erste Bildung bekam er im Gouvernementgymnasium in Riga, aber von 1887 bis 1888 studierte er Theologie an der Universität in Dorpat. Nach der Rückkehr nach Riga wurde er Lehrling in der Apotheke des Vaters. 1890 bestand er die Prüfungen des Apothekerhelfers in Dorpat und praktizierte in der Apotheke des Vaters. Danach ging Kirschfel jun. wieder in die Universität in Dorpat, wo er von 1892 bis 1893 Chemie und von 1894 bis 1895 Pharmazie studierte. Während des Studiums war er mit der Studentenkorporation „Livonija“ eng verbunden und arbeitete in der aktiv, indem er ihr Vorsitzender, Vizevorsitzender und Philister war. 1895 bestand Kirschfeld jun. die Provisorsprüfungen und 1896 Prüfungen zum Erwerb des Magistertitels. Seit 1897 arbeitete er als Provisor in der Apotheke seiner Mutter und war auch Mieter. 1898 trat er in den Rigaer Pharmazeutenverein ein und 1901 wurde Vereinsarchivar. Man weiß nicht, warum Kirschfeld jun. die Apotheke des Vaters nicht erben wollte. Nachdem er in der Apotheke 4 Jahre gearbeitet hatte, kaufte er 1901 die Apotheke von Anspach. Doch auch damit war er nicht zufrieden und 1906 ging nach Moskau, um bei dem berühmten Apotheker Woldemar Karl Ferrein (?- ~1918) zu arbeiten. Die Apotheke Kirschfelds kam in fremde Hände. Die Apotheke kauften 1902 zwei Provisoren Eduard Kraukst und Karl Rundel.
Eduard Kraukst (1874-?) wurde in Kurland in der Familie des Besitzers vom Hof „Kraukst“ geboren. Nach dem Gymnasium wurde er 1892 Lehrling in der Apotheke Müllers in Riga. 1895 bestand Eduard Kraukst Prüfungen des Apothekerhelfers in Dorpat und praktizierte in den Apotheken in Jelgava, Riga und Petersburg. Von 1898 bis 1900 studierte er Pharmazie an der Universität in Dorpat. Die Provisorsprüfungen machte Kraukst 1900 in Moskau und danach arbeitete in der Apotheke von Pharmaziemagister Kārlis Krēsliņš in Petersburg. Nach der Rückkehr in Riga wurde E. Kraukst Mitglied des Rigaer Pharmazeutenvereins und zusammen mit Karl Rundel kaufte die Kirschfelds Apotheke in der Moskauer-Vorstadt. Die Mitbesitzer verkauften die Apotheke 1911. Später wurde Kraukst Apothekebesitzer in Kuldīga, aber am 14. Juni 1941 wurde er zusammen mit der Tochter deportiert.
Karl Rundel (1869-?) wurde in Vecpiebalga (Alt-Pebalg) in der Familie eines Landwirts geboren. Er besuchte die Privatschule in Talsi (Talsen), 1888 wurde er Lehrling in der Apotheke von Ļaudona (Laudohn) bei dem Apotheker K. Hellimann. Die Prüfungen des Apothekerhelfers bestand Karl Rundel 1891 in Dorpat und praktizierte in verschiedenen Apotheken in Riga, Taganrog, Vitebsk u. a. Von 1896 bis 1898 studierte Rundel Pharmazie an der Universität in Dorpat und erwarb den Provisorstitel. Von 1898 bis 1902 arbeitete er in verschiedenen Apotheken in Liepāja, bis er Mitbesitzer der Apotheke in Riga, in Moskauer-Vorstadt wurde, und in demselben Jahr trat er in den Rigaer Pharmazeutenverein ein.
Mit diesen Ereignissen und neuen Besitzern kam in die Apotheke Kirschfelds das neue Jahrhundert. Der Name des berühmten Apothekers passte der Apotheke nicht mehr. Möglicherweise entstand genau in dieser Zeit der neue Name – die Große Moskauer Apotheke.
1912 wird Apothekerhelfer Pauls Aleksējevs als Besitzer der Großen Moskauer Apotheke erwähnt, doch von 1912 bis 1916 leitete Mārtiņš Pusbarnieks (1880-1952) die Apotheke, er hatte gerade das Studium an der Universität in Dorpat beendet. Später wurde er Vorsitzender der Pharmazieverwaltung und war einer von denen, die an der Wiege der pharmazeutischen Ausbildung in Lettland gestanden hatten.
Weiter fehlt jegliche Information über die Große Moskauer Apotheke bis 1920. Offensichtlich kann man diese Lücke mit den Ereignissen des I. Weltkriegs und späteren Ereignissen erklären, die den gewohnten Lebensrhythmus in Riga und in ganz Lettland gestört hatten.
Konstantīns Kozlovskis (1887-1965) wurde Besitzer der Großen Moskauer Apotheke 1920 und leitete sie bis 1929. Dann wurde Jēkabs Dermeiks Mitbesitzer der Apotheke. 1930 übernahm Dermeiks zusammen mit Jozefs Blonds die Große Moskauer Apotheke in seinen Besitz, aber Konstantīns Kozlovskis kaufte die Jesus Kirchen-Apotheke. 1936 wurde Firma „ Große Moskauer Apotheke, Jēkabs Dermeiks & Co.” gegründet.
Jozefs Blonds (1873-1941) hat 1904 die Universität in Warschau absolviert und den Provisorstitel erworben. Er war Mitbesitzer der Großen Moskauer Apotheke und gleichzeitig verwaltete auch eine Apotheke in Rēzekne (Rositten). 1941 kam Jozefs Blonds in Lettgallen ums Leben.
Jēkabs (Jakovs) Dermeiks (1883- ~1941) wurde in Cēsis geboren. Von 1900 bis 1903 war er Lehrling in der Apotheke von J. Hertel in Jelgava. Pharmazie studierte Dermeiks in Dorpat, dort erwarb er 1908 den Provisorstitel und danach arbeitete als Verwalter in verschiedenen Apotheken, einschließlich der Altstadt-Apotheke und Apotheke in Čiekurkalns in Riga. Bis 1940 war Dermeiks Mitbesitzer der Großen Moskauer Apotheke. Man weiß nichts über sein weiteres Leben.
1940 fanden in der Firma von Dermeiks Veränderungen statt und zu Besitzern der Apotheke wurden zusammen mit Dermeiks auch Apothekerhelfer Leiba Purmels und Pharmaziemagister Zālamans Bērs Leibovičs.
Leiba Purmels (1883- ~1941) wurde in Ludza (Ludsen) geboren. Das Recht des Apothekerhelfers erwarb er 1911 an der Universität in Charkov und bis 1915 arbeitete in verschiedenen Apotheken in Petersburg. Von 1921 bis 1923 war Purmels Mitbesitzer, aber von 1923 bis 1936 – Besitzer des chemisch kosmetischen Laboratoriums in Riga. Es fehlt die Information über ihn nach 1941.
Zālamans Bērs Leibovičs (1908- ~1941) wurde in Līvani geboren. Er arbeitete als Lehrling in den Apotheken in Čiekurkalns, Mežaparks und Ķemeri. Die Pharmazie studierte er in der Pharmazieabteilung der Chemiefakultät an der Universität Lettland, die er 1935 als Pharmaziemagister absolvierte. In demselben Jahr wurde Leibovičs Besitzer der Neuen Apotheke in Ķemeri, aber 1940 – Mitbesitzer der Großen Moskauer Apotheke. Es fehlt die Information über ihn nach 1941.
1941 wurde die Große Moskauer Apotheke für eine kurze Zeit die Apotheke der Hauptverwaltung der Apotheken. Das weitere Schicksal der Apotheke ist mit tragischen Ereignissen im II. Weltkrieg verbunden. Der Stadtbezirk, wo die Apotheke sich befand, wurde Ghetto. Laut den Anordnungen von deutschen Behörden musste die Pharmazieverwaltung die Große Moskauer Apotheke in der Moskauerstraße 49 an das Ghetto-Komitee verkaufen. Die deutschen Behörden bildeten das Rigaer Ghetto im Herbst 1941, indem sie ein ziemlich großes Territorium in der Moskauer-Vorstadt – in der Umgebung der Moskauerstraße, Jersikasstraße, Kalnastraße, Lazdonasstraße, Jēkabpilsstraße und Lačplēšastraße – mit Stacheldrähten abgrenzten. Darin wurden ca. 32 Tausend Juden gehalten. Im November 1944 führte man alle Lebenden in den Lager nach KZ Stutthof über oder vernichtete. So sind die tragischen Seiten der Geschichte des II. Weltkriegs, und so war das Ende der Moskauer Apotheke, die 83 Jahre gearbeitet hatte.
Die 20 ältesten Apotheken – vor unseren Augen sind Jahre und Jahrhunderte verlaufen, Ereignisse und Menschen mit ihren Schicksälen, Freuden und Trauer, Glück und Pech. Für uns sind diese Menschen keine Fremden, denn sie sind Apotheker – unsere Vorfahren, denen wir dankbar für Kenntnisse und Erfahrung sind, von deren Fehlern wir lernen können, auf deren Erfolg wir stolz sein können, denen wir ähnlich sein möchten, denn sie sind dessen würdig.
Wir haben den Wunsch, dass mindestens ein Teil der Leser sich an den Namen der bedeutendsten Apotheker erinnern würden. Und wenn sie durch Riga spazieren würden, möchten sie einen Platz sehen, wo einst eine von diesen 20 Rigaer Apotheken ihre Tür geöffnet hatte. Damit man in der Altstadt am Rathaus oder auf dem Domplatz Schritte hören möchte, die zu uns durch die Jahrhunderte gekommen sind. Vielleicht kommt da jemand aus der großen Familie Martini-Himsel oder Grindel mit seinen Gesinnungsgenossen eilt sich, den ersten Pharmazeutenverein zu gründen… Auch wir gehören zu diesem Verein. Wenn um die Herzen einiger Apotheker wärmer wird, während sie dieses Buch lesen, dann ist unsere Arbeit belohnt, dann sind die Nachtstunden und Feiertage, die wir diesem Werk gewidmet haben, nicht umsonst gewesen. Während wir das Material über unsere Vorfahren gesammelt und das Buch geschrieben haben, fühlten wir uns ihnen sehr nahe, stolz und zufrieden mit ihren guten Taten und hatten Mittleid mit ihnen. Selten mussten wir uns wegen der schlechten Taten der Apotheker schämen, denn es gibt solche fast nicht. Bemühen wir uns ihnen zu ähneln, denn auch wir sind Apotheker!