Die Geschichte des alten Riga ist so interessant und hinreißend, dass sie keinen, der damit in Berührung kommt, gleichgültig lässt. In jeder beliebigen Ecke der Altstadt von Riga spürt man den Atem der Vergangenheit. Jede Straße und fast jedes Gebäude haben ihre eigenen Geschichten über die Ereignisse, die sich hier schon vor langer oder nicht vor so langer Zeit abgewickelt haben. Alle diese Ereignisse verleihen Riga eine wunderschöne Gestalt seiner Vergangenheit, die wie ein leuchtender Regenbogen über die heutige Stadt entsteht. Viele historische Ereignisse der Geschichte von Riga sind gut bekannt, mindestens für diejenigen, die sich für die Geschichte ihrer Stadt über Jahrhunderte hinweg interessieren. Es gibt jedoch solche Zeugnisse der Vergangenheit, die sogar sehr aufmerksame Forscher übersehen haben, nämlich die Geschichte der Apotheken von Riga.

Wenn man die Reiseführer durchblättert – sowohl die vor kurzem Geschriebenen, als auch die, die schon 100 Jahre alt sind -, kann man feststellen, dass es vergeblich ist, darin die Information bezüglich der Apotheken des alten Riga zu suchen. Es gibt keinen geringsten Hinweis, dass in Riga die erste Apotheke im Baltikum eröffnet wurde, dass es in der Stadt viele traditionsreiche Apotheken und Apotheker tätig waren, deren Namen sowohl in Europa, als auch im russischen Imperium bekannt waren. Natürlich kann man diesen Umstand erklären und rechtfertigen, und zwar durch die komplizierte Geschichte Lettlands, die gezwungen hat, vieles über Jahrzehnte hinweg zu verschweigen, und viele Generationen lebten im Unwissen über das Schicksal ihres Volkes, ihrer Stadt und sogar ihrer eigenen Familie.

Hinsichtlich der Apotheken gibt es natürlich eine besondere Geschichte. Die Apotheker in Riga waren schon seit unvordenklichen Zeiten Einwanderer – hauptsächlich aus Deutschland, und in den Apotheken herrschten über viele Jahrhunderte hinweg die Traditionen der deutschen Pharmazie. Die Besitzer der Apotheken, besonders in Riga, sind noch Anfang des 20. Jhs. nur die Deutschen gewesen, deshalb sind auch einige wenige Literaturquellen, die uns die Information über die Apotheken in Livland liefern, in der deutschen Sprache geschrieben. Lettische Apotheker, die überwiegend das Diplom des Provisors der Universität in Dorpat in der Tasche hatten, streiften durch das weite russische Imperium, denn es war praktisch unmöglich, der deutschen Konkurrenz standzuhalten. In Russland ging es den Letten ganz gut, denn sie konnten leicht die Arbeit in verschiedenen Apotheken finden, konnten Apothekenbesitzer werden, auf verschiedenen Wissenschaftsgebieten tätig sein, Erfolg im Bereich der militärischen Pharmazie oder auch anderswo haben. Das alles gewährleistete ihnen die ausgezeichnete pharmazeutische Bildung, die sie als Lehrlinge in livländischen Apotheken bekommen hatten, in denen eine strenge Ordnung und hohe Anforderungen herrschten, als auch durch und durch deutsche Universität von Dorpat, die ihren Studenten nicht nur die notwendigen professionellen Kenntnisse gab, sondern auch die während der praktischen Schulung erworbenen, dem Apotheker so nötigen Charaktereigenschaften beibrachte wie Genauigkeit, Ordnungsgefühl, Verantwortungsgefühl, Arbeitsliebe, Unternehmungslust, Geschicktheit, Anständigkeit und Ehrengefühl seinem Beruf gegenüber. Auf solche Art und Weise entstand auf der Basis der deutschen Pharmazie die hiesigen pharmazeutischen Traditionen, bei der Bildung deren große Verdienste sowohl die deutschen als auch die lettischen Apotheker haben, in der Bewahrung und Pflege dieser Traditionen während des 20. Jhs. gilt großer Dank besonders den lettischen Apothekern. Wie es bekannt ist, wird der Wert eines Menschen sowohl in der menschlichen als auch in der professionellen Hinsicht nicht von seiner Nationalität bestimmt, deshalb werden wir in unserem Buch über die Apotheker des alten Riga – über die Rigaer – erzählen, ohne sie nach ihrer Nationalität einzuordnen. Wenn wir in die Vergangenheit zurückblicken, kann man ohne Zweifel sagen, dass die Pharmazeuten Lettlands alle notwendigen professionellen Charaktereigenschaften und Arbeitsfertigkeiten von ihren Vorgängern geerbt haben und es geschafft haben, diese bis heute zu bewahren.

In 50 Jahren der sowjetischen Herrschaft sind viele Phramazeutengenerationen groß geworden, die keine Kenntnisse über die Entwicklung der Pharmazie im Baltikum und auch über die Geschichte der Pharmazie im Allgemeinen haben. Natürlich gab es Interesse an den herrlichen Expositionen vom Apothekeninterieur im Museum für Medizingeschichte von Pauls Stradiņš, doch es war nicht genügend, um das zu verstehen und zu begreifen, was jeder Pharmazeut über die Geschichte seines Berufs wissen sollte. Die vom Medizinhistoriker Professor Arnis Vīksna geschriebenen Bücher „Dodot gaismu, sadegu“ („Indem ich das Licht ausstrahle, verbrenne ich“) (1983), „Tērbatas Universitāte“ (Universität von Dorpat) (1986) und „Vecās aptiekas“ („Alte Apotheken“) (1993) waren der erste ernste Beitrag in der Erforschung der Pharmaziegeschichte Lettlands und offenbarte Vieles, was einem breiten Leserpublikum bisher nicht bekannt war, denn die Werke von Klassikern der Pharmaziegeschichte Carl Frederking (1809-1892), Gustav Otto (1843-1917), Erich Seuberlich (1882-1946), Friedrich Lichinger (1864-1931), Emil Treyden (1865-1934) u. a. waren in der Sowjetzeit nicht zugänglich, dabei waren sie in der deutschen Sprache verfasst.

Dieses Buch über die Apotheken im alten Riga entstand dank der Anregung und selbstloser Unterstützung seitens der Enthusiasten der Pharmazie und dank der dauerhaften, schweren und beharrlichen Arbeit der Enthusiasten der Pharmaziegeschichte. Wir wollten allen anderen das erzählen, was wir über Apotheker in Riga erfahren haben, über Schicksale der Apotheken in verschiedenen Zeiten, über Freuden und Unglück, Erfolg und Misserfolg der Apotheker, über ihre umfassenden Kenntnisse, Liebe zur Arbeit und vielseitige Interessen. Wir wollten, dass jeder Apotheker als ein lebendiger Mensch und nicht als ein Schatten aus der Vergangenheit dem Leser gegenüberstehen würde, deshalb erwähnten wir in der Arbeit, wo es nur möglich war, auch ihre Ehefrauen, Kinder und Eltern. Indem wir den Zusammenhang zwischen der allgemeinen historischen Situation, dem Schicksal der Apotheke und den Ereignissen in der Familie des Apothekers verfolgten, sahen wir die Geschehnisse der Vergangenheit quasi mit unseren eigenen Augen. Während der Arbeit an diesem Buch sind wir mit der Familie der Rigaer Apotheker zusammengewachsen und begannen sie als nahe und bekannte Menschen aufzufassen. Wir waren sehr froh darüber, dass unsere Vorfahren so unternehmungslustige, wissende, zielstrebige, gesellschaftlich aktive un in den meisten Fällen – gute und ehrliche Menschen waren. Und zurecht sind wir auf unseren Beruf stolz, der auf seine Art und Weise unikal ist, und darauf, dass wir das Beste nicht verloren haben, das uns unsere Vorgänger – die Apotheker des alten Riga – vererbt haben, dass es unter uns viele kluge, geschickte, vielseitig gebildete, energische Apotheker gibt, die in diesen für die Pharmazie schweren Zeiten nicht zusammenbrechen, den Problemen trotzen und ihre professionelle Ehre hochhalten. Dieses Buch widmen wir ihnen – den Apothekern Lettlands!